Kein klangloser Abschied
Wer keine Angehörigen mehr hat oder wo diese nicht aufzufinden sind, für den übernimmt der Fachdienst Ordnung die Veranlassung der Bestattung. Bei einer solchen „ordnungsbehördlichen Bestattung“ soll qua Gesetz der letzte Wille der verstorbenen Menschen berücksichtigt werden. Doch was, wenn dieser letzte Wille nicht bekannt ist? Mit einer einfachen, ortsüblichen Bestattung, häufig in einer anonymen Urnengrabstätte, treten die Verstorbenen dann den Weg in ihre letzte Ruhestätte an. In Schwerin wurden im Jahr 2022 39 Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise unter die Erde gebracht. Das klingt traurig und würdelos … dabei kann zumindest die menschliche Seite dieses Abschieds eine Aufwertung und Würdigung erfahren. Das fand auch eine engagierte Gruppe Schwerinnen und Schweriner rund um Christoph Wunnicke, Hanni Gruttmann und die Musikerfamilie Rust – und wurde tätig. Schnell und unkompliziert wurden die notwendigen Rahmenbedingungen abgesteckt.
Ortstermin Januar 2023. Sieben Trauergäste plus die für die Beisetzung zuständigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Friedhofs versammeln sich vor der Grabstätte auf dem Alten Friedhof. Die feuchte Kälte stört die Vorbereitungen kaum. Die Urne steht auf dem Sims, das Urnengrab ist hergerichtet und mit Grabmatten ausgekleidet, der Streubehälter mit Sand aufgestellt. Zum Auftakt erklingt eine gediegene, halb improvisierte Melodie aus Querflöte und Trompete. Dann der Redner. Doch was sagt man, wie lässt man ein Leben Revue passieren, von dem man nichts weiß? Humorvoll und dynamisch setzt Christoph Wunnicke das Leben der an einem 14. Juni geborenen Karin Irene Iwanowski, die an diesem Tag beigesetzt wird, in Beziehung zu Ereignissen dieses Tages: über die sie mal gelesen haben oder an denen sie womöglich teilgenommen haben könnte. Wie am Schlossfest im Rahmen der Bundesgartenschau, das 2009 an ihrem 53. Geburtstag stattfand. Mit den Versen des Liedes „Ach, wie ist’s möglich dann“ des Schweriner Musikers und Komponisten Friedrich Wilhelm Kücken endet schließlich die kleine Feier, die Urne wird ins Grab niedergelassen und in einem Moment der Besinnung fällt der Sand darüber.
Später erläutert Christoph Wunnicke seine Motivation: „Auch diese Menschen, wo keine Angehörigen da sind, um die Bestattung und eine Trauerfeier zu organisieren, verdienen einen letzten Abschied in Würde.“ Dafür verabredet sich die Gruppe, sobald sie vom Schweriner Friedhof über eine anstehende Bestattung ohne Angehörige informiert wird.